Ein Beitrag von Dr. Sarah Henkelmann, Sprecherin des Netzwerks Digitale Bildung
Interview mit Dr. Sarah Henkelmann, Sprecherin des Netzwerks Digitale Bildung
Liebe Sarah, das Thema Digitalisierung im Klassenzimmer polarisiert immer noch. Wie geht das Netzwerk Digitale Bildung damit um?
Das stimmt – und diese Polarisierung geschieht auf vielen Ebenen. Auch, weil es keinen verbindlichen, eindeutigen Orientierungsrahmen zu dem Thema gibt. Daher herrscht viel Unsicherheit, die wiederum zu großen Vorbehalten führt. Und deshalb ist es so wichtig, dass Menschen miteinander reden und sich vernetzen. Deshalb versuchen wir im Netzwerk Digitale Bildung, das nötige Wissen zugänglich zu machen. Wir wollen die relevanten Themen, die Schule und Digitalisierung betreffen, benennen. Dazu schaffen wir eine Plattform für Lehrkräfte, die seit vielen Jahren Digitalisierung im Klassenzimmer leben und den Unterricht mit neuen Lernformen und Lehrmethoden bereichern. Sie sind mit der Nutzung von digitalen Werkzeugen wie interaktiven Tafeln, Rechnern, cloudbasierten Anwendungen und Apps und vielem mehr vertraut. Wir wollen ihre Erfahrungen einem weiten Kreis zugänglich machen und sie mit anderen in Austausch bringen, um die Chancen der Digitalisierung aufzuzeigen. Und natürlich auch Wege, digitale Bildung umzusetzen, auch in kleinerem Rahmen.
Das ist nun über 5 Jahre gewachsen. Aber wie war es, als das Netzwerk Digitale Bildung gegründet wurde?
Das Netzwerk Digitale Bildung wurde 2015 aus der Taufe gehoben. Damals stand man vor der Erkenntnis, dass mit der Förderung aus dem Konjunkturpaket 2 zwar Technik für Schulen angeschafft worden war, aber keine pädagogischen Konzepte dahinterstanden. Mit dem Ergebnis, dass das didaktische Potenzial der Technik nur selten voll ausgeschöpft wurde. Oft war es den Lehrkräften und anderen Beteiligten schlicht und einfach nicht bekannt. Wir hatten am Anfang der Digitalisierung im Klassenzimmer die Situation, dass z.B. ein Kämmerer, der morgens ein Feuerwehrauto bestellt, am Nachmittag Lernsoftware und digitale Tafeln für seine Schule anschaffen sollte, ohne zu wissen, wie Unterricht derzeit in der Schule abläuft und was eine Lehrkraft genau braucht. Die Schulverantwortlichen kannten nicht immer die Abläufe eines kommunalen Beschaffungsprozesses, und beide Seiten wussten gar nicht, was auf dem Markt überhaupt vorhanden und möglich war. Da ist es schon passiert, dass Produkte und Technologien mit Funktionalitäten ausgeschrieben wurden, die nicht verfügbar und technisch auch gar nicht realisierbar waren. Hier fehlte es an Information und Vernetzung. Das ist noch immer nicht ganz gelöst, aber es wird besser.
Die Idee des Netzwerks Digitale Bildung war, eben diese Seiten zu vernetzen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Lehrkräfte, Schulleitungen, Sachaufwandsträger, kommunale Rechenzentren, politische Entscheidungsträger, Hersteller von Geräten, Datenschützer, Softwareanbieter, Infrastruktur-Spezialisten und so weiter und so weiter.
Welche Rolle hattest Du zu dieser Zeit?
Vor 5 Jahren war ich persönlich in meinem eigenen Unternehmen, sciovation, involviert, das sich auf pädagogische Trainings für technische Lösungen im Bildungsbereich konzentriert und bis heute existiert. Ich bin dort mittlerweile passiv als Gesellschafterin involviert. Das Postulat „Pädagogik vor Technik“ war uns dort schon damals ein großes Anliegen und ist es bis heute geblieben. Deshalb war ich sofort begeistert von der Idee des Netzwerks Digitale Bildung und habe mich engagiert.
… bis Du dann im Jahr 2016 Sprecherin des Netzwerks geworden bist. Was ist für Dich bei Deiner Arbeit wichtig?
Ja, zu dieser Zeit war ich noch für sciovation auch als Trainerin unterwegs. Ende 2019 bin ich dann in das Unternehmen SMART Technologies gewechselt, das sich seit 30 Jahren im Bildungsmarkt bewegt. In meiner dortigen Rolle als Federal Advocate ist es eine meiner Aufgaben, Entscheidungsträger auf verschiedenen Ebenen Schritt für Schritt für das Thema Digitalisierung und Interaktivität im Klassenzimmer zu begeistern. Bei meiner Arbeit ist es mir wichtig, über den Tellerrand zu schauen: Was passiert auf internationaler und auf europäischer Ebene in Sachen Digitalisierung im Bildungsbereich? Dazu gehören auch die Fragen: „Was heißt es eigentlich, Digitalisierung im Klassenzimmer zu haben? Wie lässt sich verlässliche Technik organisieren?“ Es heißt auch, zu schauen, wie Beschaffung abläuft, wo Stolpersteine sind, wie sich Service und Wartung organisieren lassen. Ein zentrales Thema ist auch die Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Wie können Fortbildungskulturen in Schulen entstehen, und was sind Erfolgsfaktoren? Seit über zehn Jahren setze ich mich mit diesen Themen auseinander. Für mich gehört es als Sprecherin beim Netzwerk Digitale Bildung dazu, dieses Wissen mitzunehmen und es mit Entscheidungsträgern zu teilen. Und gerade das Netzwerk Digitale Bildung ist eine Plattform, die all das fördert.
Wo steht das Netzwerk Digitale Bildung heute?
Wir sind ganz klein gestartet. Mit der Idee, das Thema Digitalisierung in Deutschlands Schulen anzufassen: Aufklärung zu betreiben und einen Startschuss zu geben, um endlich mit dem Thema Digitalisierung im Klassenzimmer richtig loszulegen und das Ganze systematisch anzugehen! Auch weil wir natürlich mitbekommen haben, wie wir in internationalen Studien wie PISA abschließen. Weil wir bis heute mitbekommen, wie in europäischen Nachbarländern schon selbstverständlich KI im Unterricht eingesetzt wird oder Augmented Reality, Virtual Reality und Coding feste Bestandteile im Unterricht sind. Da sind wir noch weit davon entfernt, weil wir erst einmal die grundlegende Infrastruktur schaffen müssen! Es ist, als würde man bei uns noch diskutieren, ob man nun Stift und Papier in die Schulen einführen sollte, während die anderen Länder längst Bücher schreiben.
Welche Dynamik kam mit dem DigitalPakt Schule ins Netzwerk?
Zwei Jahre nach unserer Gründung kamen Diskussionen zum DigitalPakt Schule auf. Nicht nur wir haben uns Gedanken gemacht, sondern auch politische Entscheidungsträger. Hier war es ein glücklicher Umstand, dass wir als Netzwerk schon da waren und Antworten hatten. Wir hatten bereits Papiere geschrieben, waren auf Podiumsdiskussionen und wurden von Medien angefragt, uns zum Thema Digitale Bildung zu äußern. Wir haben angefangen, Bücher zu schreiben, und wir sind begeistert davon, wie positiv die Resonanz darauf ist. So war z.B. die zweite Auflage unseres Wegweisers innerhalb von 4 Wochen nach Erscheinungstermin komplett vergriffen. 2020 ist der „Wegweiser Digitale Bildung“ bereits in der dritten, ergänzten und erweiterten Auflage erschienen. Und die Nachfrage ist unverändert hoch. Daran sieht man das Stimmungsbarometer, und dass wir mit unseren Themen den Nerv der Zeit treffen.
Die große Nachfrage motiviert sicherlich, weiterzumachen, oder?
Unser Projektteam macht das mit Leidenschaft und Begeisterung, weil es uns wichtig ist, dass nachfolgende Generationen gut ausgebildet werden. Dass wir junge Menschen befähigen, sich in einer digitalisierten Welt zu bewegen. Dafür brauchen wir Lehrkräfte, die den Weg mitgehen, politische Rahmenbedingungen und Entscheidungen, die dies ermöglichen. Ich bin selbst Mutter, und viele in unserem Team haben Kinder, und wir denken natürlich darüber nach, in welcher Welt sie ausgebildet werden.
Wie siehst Du die Zukunft des Netzwerks Digitale Bildung? Wo geht es hin?
Das Netzwerk war von Anfang an mutig und wird auch weiterhin mutig sein. Dazu gehört eine Portion Kreativität, und die ist von den Rückmeldungen gespickt, die wir von Forscherinnen und Forschern, Schüler*innenvertretungen, Lehrkräften, Eltern, Politikern erhalten, die mit Wünschen und Ideen auf uns zukommen.
Welche Themen sind das?
Zum Beispiel neue Lehr- und Lernformen. Eine davon ist das interaktive Klassenzimmer, ein zukunftsweisendes Konzept, bei dem das aktive Lernen von Schülerinnen und Schülern im Mittelpunkt steht. Während es in anderen Ländern bereits umgesetzt wird, sehen wir bei uns erst zarte Pflänzchen. Einige wenige Lehrkräfte in Deutschland arbeiten damit und geben uns Rückmeldungen. Dabei verlieren wir nicht den Blick auf Zukunftsthemen wie z.B. KI in Schulbüchern, Inklusion, Integration oder binnendifferenziertes Unterrichten mit Digitalisierung. Wie kann Technologie im Klassenzimmer Lehrkräften helfen, ihre pädagogischen Ziele zu verfolgen, welche Entwicklungen gibt es weltweit? Wir greifen Themen aus der Bildungslandschaft auf und entwickeln diese weiter.
Wie sieht Deine Arbeit aus?
Ich lebe täglich die 4K, Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und Kritisches Denken, in allem was ich tue, weil kein Arbeitstag gleich aussieht. Ich führe viele Gespräche, lese Studien, halte Vorträge. Ich versuche, Brücken zwischen der pädagogischen und der technischen Welt zu bauen und setze mich mit unterschiedlichen Wahrnehmungen und Interessen auseinander. Diese Impulse bringe ich ins Netzwerk Digitale Bildung und in das Unternehmen, für das ich tätig bin, ein. Und der Personenkreis, der mich einlädt, um mit ihm zu sprechen, schätzt das. Er will realistische Einschätzungen von mir bekommen, wie sich Dinge bei uns in Deutschland in den nächsten Jahren verändern und welche Rahmenbedingungen dafür auch geschaffen werden müssen.
Ich versuche in meiner Arbeit den Rundumblick zu behalten und das heißt, nicht nur Technologie zu sehen, sondern auch Pädagogik und Didaktik und alles drumherum. Beispiel Rechnerinfrastruktur: Was heißt das für Service und Wartung für Schulen und Träger, was heißt das für Lehrerfortbildung, Schulentwicklung, Medienentwicklungsplan, für Schulcurricula, für die Phasen der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern? Digitalisierung ist ein Querschnittsthema in der Bildung. Und ich werde häufig gefragt, ob wir einen DigitalPakt 2 für Schulen oder einen DigitalPakt für Hochschulen brauchen und wie der aussehen müsste.
Wie gehst Du mit Deiner Doppelrolle um? Du bist Sprecherin eines Netzwerks, das neutrale Informationen geben will, und gleichzeitig für einen Hersteller im Bildungsmarkt tätig.
Im Netzwerk Digitale Bildung vernetzen wir Themen und Menschen. Es geht darum, die Vernetzung zwischen Unternehmen und Schule in Balance und auf Augenhöhe hinzubringen. Denn ohne diesen Austausch wird es nicht gehen. Hier müssen Berührungsängste abgebaut, aber auch Grenzen gezogen werden. Eines ist klar: Schulen und Ämter können die Technologie nicht entwickeln. Das machen die Unternehmen. Aber es muss andersherum auch klar sein, was Schule und Bildung benötigen und was technisch möglich ist. Es geht um Augenhöhe. Meine Rolle ist, hier zu vermitteln. Und mit dieser Rolle gehe ich verantwortungsbewusst um. Ich bin mir bewusst, dass diese Doppelrolle besteht, und ich kläre meine Ansprechpartner darüber auf.
Was hast Du dir für die Zukunft vorgenommen? Was gibst du den Akteuren im Bildungswesen mit auf den Weg?
Mir ist es wichtig, dass wir in Deutschland einen gemeinsamen Weg in der Bildung finden. Wir haben eine tolle Möglichkeit, mit der Digitalisierung und dem DigitalPakt Schule viel zu gestalten. Das Netzwerk Digitale Bildung ist mit Experten aus Pädagogik, Wissenschaft und Beschaffung vor Ort und unterstützt.
Wir müssen mutig und kreativ sein. Nur gemeinsam sind wir stark! Wir sind stolz und freuen uns, dass wir weiterwachsen und dass auch andere Förderpartner diese Vision und die Werte des Netzwerks teilen: Verlässlichkeit, Verantwortung, Veränderung voranbringen und aufzeigen, wo Grenzen und Möglichkeiten sind. Wir wollen Wissen voranbringen. Denn nichts ist schlimmer als Unwissenheit!

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Seit 30 Jahren entwickelt SMART professionelle Lernwerkzeuge für zeitgemäßen Unterricht. Wir arbeiten streng nach der Maßgabe „Pädagogik vor Technik“ und bauen unsere Geräte und Software nach den Anforderungen von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern.
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