Ein Beitrag von Verena Gonsch
Welche Ansätze gibt es, KI im Klassenzimmer einzusetzen? Verena Gonsch zeigt in ihrem Gastbeitrag Beispiele aus Deutschland, China und den USA.
Welche Ansätze gibt es, KI im Klassenzimmer einzusetzen? Verena Gonsch zeigt in ihrem Gastbeitrag Beispiele aus Deutschland, China und den USA.
Stefania Druga sprüht vor Begeisterung. Die 32-jährige Forscherin vom MIT Media Lab in Boston ist extra aus den USA gekommen, um ihr Bildungsprojekt „Cognimates“ auf dem Digital Summit für Lehrkräfte in Hamburg vorzustellen. Cognimates ist eine Opensource-Website, auf der Eltern und Kinder gemeinsam KI erforschen können. Ein Beispiel: das altbekannte Fingerspiel „Schere, Hand, Papier“, das Kinder selbst auf dem Computer programmieren können. Oder eine digitale Puppe, die ihnen beim Aufbau eines Spiels auf ihrem Tablet hilft.
„Es reicht nicht, besorgt zu sein“
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Stefania Druga nutzt dabei Künstliche Intelligenz. Sie glaubt, dass Kinder und Jugendliche viel unverstellter mit der neuen Technologie umgehen lernen können, als es Ältere tun. „Jedes zweite Kind in den USA hat schon Alexa oder Google Home zuhause“, sagt sie. „Und sie glauben, diese Geräte seien intelligenter als sie. Wenn wir ihnen zeigen, wie sie funktionieren, nehmen wir diesen Smart Assistants den Zauber und zeigen Kinder und Jugendlichen, wie sie KI in ihrem Alltag in Zukunft nutzen.“ Druga findet, wir sollten den Kindern viel mehr zutrauen statt zu meinen, sie vor KI schützen zu müssen. Sie sagt: „Es reicht nicht, besorgt zu sein. Die Technik wird nicht mehr weggehen. Wir müssen Kinder darauf vorbereiten. Sie werden damit leben.“
Seit 2012 arbeitet die Forscherin mit Kindern – und ist immer wieder begeistert, mit wieviel Neugier sie an die Experimente herangehen. Für Druga ist es wichtig, dass die Kinder nicht nur Programmieren lernen, sondern auch verstehen, wie KI funktioniert. Schließlich werde diese Generation in ihrem Erwachsenenleben mit KI in der Medizin, in der Pflege, in der Bildung und in vielen anderen Bereichen leben. In Europa begegnet ihr dabei immer viel Skepsis: Viele Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder sich mit KI auseinandersetzen. Ihnen antwortet Druga: „Wenn Ihre Kinder nur Alexa kennenlernen, bekommen sie einen sehr kommerziellen Blick auf KI“, sagt sie. „KI kann mehr und wird mehr leisten. Und es ist wichtig, das Kindern zu zeigen.“
KI im Klassenzimmer – erste Ansätze in Deutschland
Auch in Deutschland gibt es schon erste Ansätze, KI im Klassenzimmer einzusetzen – wenn auch erst in der Forschung. Im Lernlabor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern werden Schulbücher entwickelt, die erkennen, ob die Kinder dem, was sie lesen, folgen können. Tun sie das nicht, weil ihr Auge zum Beispiel zu lange an einer Passage festhängt, werden ihnen alternative Informationen eingespielt. Oder sie bekommende vertiefendes Wissen präsentiert. Dieses Verfahren ist nur durch die Fortschritte in der Gesichtserkennung möglich.
In den USA, in China und in Japan ist KI in der Schule schon deutlich verbreiteter. In den USA gibt es Mathe-Klassen, bei denen der KI-Computer tagesaktuelle Stundenpläne für die Schülerinnen und Schüler entwickelt, je nach Leistungsstand. Dieser wird anhand der gelösten Aufgaben am Tablet erfasst. Nach einem Ampelsystem wird den Kindern dann entweder mehr vom Gleichen empfohlen oder ein höherer, schwierigerer Level an Aufgaben. In Japan, dem Land der Pflegeroboter, sind schon kuschelige KI-Roboter im Unterricht im Einsatz. Sie sollen die Kinder zu mehr Aufmerksamkeit animieren und den Lehrer entlasten.
In China gibt es bereits diverse smarte Klassen. Gerade hat China ein allzu smartes Klassenzimmer geschlossen, weil es Widerstand geben hatte. In einer Oberschule in der südchinesischen Millionen-Metropole Hangzhou wurde die Gesichtserkennung der Schülerinnen und Schüler im Unterricht einstweilen ausgesetzt. Die Jugendlichen waren im Klassenzimmer gefilmt worden und ein KI-Computer wertete aus, ob sie dem Unterricht folgen konnten, unter- oder überfordert waren. Anschließend hat er ihnen dann entsprechende Tipps gegeben, wie sie besser lernen können. In dieser Schule werden auch die Bücher per Gesichtserkennung ausgeteilt und das Essen mit den Gesundheitsdaten der Kinder abgeglichen, ein Ernährungsbericht geht wöchentlich an die Eltern.
Wie und in welchem Umfang KI im Bildungsbereich zum Einsatz kommen wird, hängt sicherlich in den kommenden Jahren auch von den kulturellen Wurzeln ab. Deutschland gilt zwar per se als skeptisch. Trotzdem zählten Sprachassistenten bereits letztes Weihnachten zu den beliebtesten Geschenken. Auch in der Medizin und in der Pflege dürfte KI Einzug halten. Im Klassenzimmer muss man sicherlich unterscheiden zwischen der Angst vor dem voll funktionsfähigen Roboter, der die Lehrkraft ersetzt (mit dieser Entwicklung eines Superintelligenten Roboters wird in den nächsten Jahrzehnten noch nicht gerechnet) und der Assistenz der Lehrkräfte durch KI-Computer. Dies scheint schon in einigen Jahren sehr viel realistischer. Stefania Druga vom MIT Media Lab hat übrigens die Einstellung von Kindern gegenüber KI in unterschiedlichen Ländern untersucht. Und die in Deutschland zeigten sich tatsächlich besonders skeptisch und kritisch. Eine gute Voraussetzung, um hierzulande einen eigenen, interessanten KI-Bildungsweg zu entwickeln.
Weiterführende Links
https://mitmedialab.github.io/cognimates-website/about/ (MIT Media Lab)
https://www.dfki.de/web/news/cebit-2017-das-intelligente-schulbuch-foerdert-schueler-durch-neuartige-sensortechnik/ (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz)
Über die Autorin
Verena Gonsch, geboren 1966, arbeitet als Redakteurin bei NDR Info und kümmert sich dort um gesellschaftspolitische Trends. Sie hat einen 15-jährigen Digital Native zuhause, und der programmiert ihr längst nicht mehr nur die Klingeltöne für ihr Smartphone, sondern führt sie in die Welt des Gaming ein. Als Europakorrespondentin in Brüssel hat sie jahrelang gemerkt, wie lässig andere Länder mit der digitalen Welt sind und wie kompliziert wir Deutschen da sind. Sie ist ausgebildet als systemischer Coach und outet sich auch bei Elternabend und Müttergesprächen gerne als streitbare Gamingexpertin. Als Medienprofi moderiert sie regelmäßig Radiosendungen und öffentliche Veranstaltungen.
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